Hilft uns die Impfpflicht bei unserem Wunsch, zur „Normalität“ zurückkehren zu können?

Die damalige Kanzlerin Angela Merkel sagte im Sommer 2021, es werde keine Impfpflicht geben. Noch im November letzten Jahres lehnte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn eine Impfpflicht kategorisch ab. Nun wird sie im Bundestag diskutiert und soll in der einen oder anderen Form noch in diesem Jahr kommen.

Eine Ausarbeitung der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages nennt mehrere Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um eine Impfpflicht einzuführen, hält diese jedoch grundsätzlich für möglich.

„3.3.1. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer generellen Impfpflicht
Die Einführung einer generellen Impfpflicht würde die Schaffung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage erfordern, die mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein müsste. Ein solcher Eingriff wäre verhältnismäßig, sofern damit ein legitimes Ziel verfolgt wird und der Eingriff ferner geeignet, erforderlich und angemessen ist.“

https://www.bundestag.de/resource/blob/413560/40484c918e669002c4bb60410a317057/wd-3-019-16-pdf-data.pdf

Vorausgesetzt, eine Impfpflicht sei also möglich und auch durchsetzbar, so stellt sich für mich dennoch die Frage, ob eine Impfpflicht derzeit überhaupt erfolgreich sein kann. Die medizinische Fachwelt setzt sich aktuell kaum für eine Impfpflicht ein, weil eine sterile Immunität im Sinne einer Herdenimmunität beim nun vorherrschenden Coronavirus nicht zu erreichen ist. Auch Geimpfte können sich anstecken und wiederum andere anstecken, auch wenn sie zumeist eine geringere Virenlast haben. Der Krankheitsverlauf wird durch eine Impfung positiv beeinflusst, nicht jedoch das Infektionsgeschehen.

Eine Impfpflicht könnte jedoch, so wird gesagt, eine mögliche Überlastung des Gesundheitswesens verhindern. Doch hier könnte mit einer Reform des Gesundheitswesens entgegengewirkt werden. Der Rückkauf aller privatisierten Krankenhäuser, die heute Profite für die Eigentümer:innen erwirtschaften müssen, statt nach den Bedürfnissen der kranken Menschen aufgestellt zu sein, wäre die Lösung des Problems. Selbst noch in Zeiten der Pandemie wurden Krankenhäuser geschlossen und Intensivbetten abgebaut!

Eine Impfpflicht einzuführen, weil es für Ungeimpfte ein höheres Erkrankungsrisiko gibt oder sie sogar sterben könnten, verbietet sich. Hier sagen auch die wissenschaftlichen Dienste des Bundestages ganz deutlich: „Wenn schon einem Kranken eine medizinische Behandlung zu Heilungszwecken nicht aufgenötigt werden darf, dann darf sie erst recht einem Gesunden nicht zu seinem vorbeugenden Schutz aufgenötigt werden. Eine Impfpflicht, die allein dem Selbstschutz der Geimpften dienen würde, wäre mithin kein legitimes Ziel.“

Dennoch kann ich mir vorstellen, dass eine Impfpflicht bei bestimmten Erregern Sinn macht, wie damals vor genau 150 Jahren, als in Hamburg die Pockenschutzimpfung verpflichtend eingeführt wurde. Letztendlich hat diese Impfpflicht gegen die Pocken dann zu ihrer Ausrottung geführt.

Mir tun alle Menschen leid, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen und damit eine schwere Erkrankung oder sogar ihren Tod riskieren. Doch das steht in ihrer eigenen Verantwortung. Doch es ist nicht nur ihre Gesundheit, die sie riskieren, sondern auch die Gesundheit aller vulnerablen Menschen, die sie vielleicht anstecken. Rücksichtslos ist ihr Verhalten gegenüber den Menschen, deren Operationen verschoben werden müssen. Und rücksichtslos ist ihr Verhalten auch gegenüber dem medizinischen Personal, dass sie im Falle einer Erkrankung mit meist erhöhtem Aufwand pflegen muss. 

Wir sollten, so meine ich, unsere Energie für ein besseres öffentliches Gesundheitswesen und die Abschaffung der Armut weltweit einsetzen, denn noch immer ist Armut das größte aller Krankheitsrisiken, einschließlich einer geringeren Lebenserwartung. Eine Corona-Impfpflicht wird uns nach heutigem Stand jedenfalls nicht zur „Normalität“ zurückkehren lassen. 

Helmuth

13.02.2022