Pressemitteilung 4. August 2023: Segelschiff Nadir rettet 170 Menschen aus Seenot

Kalkuliertes Chaos auf dem Mittelmeer: NGO-Schiffe sind stark ausgelastet, Lampedusa fehlt es an Treibstoff 

Am Donnerstagabend stieß das Segelschiff Nadir der deutschen Organisation RESQSHIP in der maltesischen Such-und-Rettungsregion (SAR) auf vier seeuntüchtige Boote mit rund 170 Menschen an Bord. Darunter sechs schwangere Frauen, zwei von ihnen im neunten Monat, die unter starken Schmerzen litten. Die Crew der Nadir nahm alle Menschen zu sich an Bord. Später übernahm die italienische Küstenwache rund 60 Menschen. Freitagmittag gingen die 110 Überlebenden in Lampedusa an Land. 

Die Crew der Nadir fand das erste überfüllte Stahlboot mit rund 40 Menschen an Bord gegen acht Uhr abends in der maltesischen Such- und Rettungsregion (SAR). Aufgrund mehrerer medizinischer Notfälle und einer hohen Instabilität des Bootes entschied die Crew der Nadir wenig später, die Menschen an Bord der Nadir zu nehmen. Noch während der Evakuierung des ersten Bootes entdeckte die Crew der Nadir zwei weitere Boote in Seenot. Die Crew verteilte Rettungswesten und evakuierte die medizinischen Fälle, um sie an Bord der Nadir adäquat zu versorgen – zwei hochschwangere Frauen befanden sich in einem sehr kritischen Zustand. Als gegen Mitternacht ein viertes Boot hinzukam, entschied sich die Crew, alle 170 Menschen zu sich an Bord zu nehmen, um aufgrund der medizinischen Dringlichkeit auf schnellstmöglichem Wege nach Lampedusa zu kommen. Die zuvor angefragte Unterstützung bei den italienischen Behörden wurde mit der Begründung, es seien keine Einsatzfahrzeuge verfügbar, abgelehnt. Auch die angeforderte Notevakuierung der hochschwangeren Frauen konnte mangels Kapazität der staatlichen Rettungskräfte zunächst nicht erfolgen. Doch wenige Stunden später erreichte ein Schiff der italienischen Küstenwache die Nadir und entlastete sie um 60 Menschen. Sie nahm außerdem die medizinischen Notfälle zu sich an Bord. Am Freitagmittag konnten die 110 weiteren Gäste der Nadir in Lampedusa an Land gehen.

 

„Es war essenziell wichtig, dass die Küstenwache kam und die medizinischen Notfälle auf schnellstem Wege nach Lampedusa brachte“, erzählt Lucia Gennari, Ärztin an Bord der Nadir. „Während bei einer Frau bereits die Fruchtblase geplatzt war und die Wehen einsetzten, litt eine weitere hochschwangere Frau unter starken Schmerzen.

Doch auf Lampedusa spitzt sich die Versorgungslage die vergangenen Wochen drastisch zu. Aufgrund der prekären Situation auf dem Mittelmeer fehlt es Fischern wie auch der Küstenwache an Treibstoff. Berichten zufolge muss die Küstenwache ihre Arbeit bis auf weiteres reduzieren, um Treibstoff zu sparen. Das Paradox, dass die Regierung unter Meloni eine solche Situation mitverschuldet, darf dabei nicht vergessen werden. Nicht nur die anhaltende Schikane gegenüber NGO-Schiffen, sondern auch die fehlende Unterstützung Lampedusas ist dabei von zentraler Bedeutung.

Diese Situation auf dem Mittelmeer, wie wir sie die letzten Monate erleben, ist neu für uns. Als kleine NGO waren wir noch nie einer solchen Belastung ausgesetzt”, kommentiert Jonas Müller, Rettungssanitäter an Bord, die aktuelle Lage. Seit Beginn des Jahres unterstützte die Nadir rund 3000 Menschen in Seenot und somit bereits mehr als im gesamten Jahr 2022.

Über RESQSHIP:
Resqship e. V. fährt seit 2019 Beobachtungsmissionen im zentralen Mittelmeer, um auf die prekäre Situation von Menschen auf der Flucht aufmerksam zu machen und Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Im Ernstfall leisten die Crews unterstützende Maßnahmen zur Seenotrettung und kommen damit ihrer maritimen Pflicht zu helfen nach
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Weitere Informationen zu RESQSHIP: https://resqship.org/ 

Pressekontakt: Paula Gaess
E-Mail:
presse@resqship.org, Tel.: 0176 43329804