Mittelmeer: Segelschiffe Nadir und Astral retten 110 Menschen aus gekentertem Boot

Schiffbrüchige mussten zehn Stunden auf Rettungsinseln ausharren

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch kamen die Segelschiffe Nadir des Hamburger Vereins RESQSHIP e.V. und Astral der spanischen Organisation Proactiva Open Arms einem überfüllten Holzboot in Seenot zu Hilfe. Das Boot kenterte und die 110 Schiffbrüchigen mussten auf Rettungsinseln die ganze Nacht ausharren, bis am Morgen Rettung in Sicht war. Das eintreffende Schiff der tunesischen Küstenwache löste jedoch Panik bei den Überlebenden aus, woraufhin die Astral auf Anweisung der Tunesier die Menschen an Bord nahm.   

Die Crew der Nadir war am Dienstag durch einen Notruf von Alarm Phone auf den Seenotfall aufmerksam geworden und fand das überfüllte Holzboot kurz vor Mitternacht in der maltesischen Seenotrettungszone. Das Benzin war ausgegangen und es trieb manövrierunfähig bei starkem Wellengang und Wind in Richtung Tunesien. Die 110 Menschen an Bord waren verängstigt und panisch, weil durch die zunehmend hohen Wellen Wasser ins Boot drang und keinerlei Rettungsmittel zur Verfügung standen.

Die Nadir informierte die Rettungsleitstellen in Italien, Deutschland und Malta. Letztere reagierte erst, nachdem das Boot aus der eigenen Seenotrettungszone in tunesische Hoheitsgebiete getrieben worden war, mit dem Verweis, nun nicht zuständig zu sein. Kurz darauf stieß auch die Astral zu dem Seenotfall und begann mit der Ausgabe von Rettungswesten. Als kurz darauf bei hohem Wellengang Panik an Bord ausbrach, kenterte das Boot. Die Crews der beiden Segelschiffe begannen in ihren Beibooten umgehend mit der Rettung der im dunklen Wasser treibenden Menschen. Nach mehreren Stunden konnte sich eine zunächst unbekannte Anzahl auf die ausgesetzten Rettungsinseln oder an Bord der Nadir retten. Die Crews suchten stundenlang mit den Beibooten nach weiteren, treibenden Menschen in der Umgebung.

„Wir versuchten die ganze Nacht durch, Hilfe von den Rettungsstellen zu bekommen, doch niemand fühlte sich zuständig. Erst am frühen Morgen teilte man uns mit, dass die tunesische Küstenwache zur Übernahme der Menschen unterwegs sei“, so Friedhold Ulonska, Skipper auf der Nadir. Mit Eintreffen der tunesischen Küstenwache am Vormittag brach bei den Menschen auf den Rettungsinseln jedoch Panik aus und sie weigerten sich, an Bord des Küstenwachschiffs zu gehen. „Tunesien ist kein sicherer Hafen. Die Menschen waren aus Libyen geflohen und hatten natürlich Angst, nun in ein weiteres, unstabiles Land gebracht und in Gefängnisse gesteckt zu werden“, ergänzt Ulonska.

Daraufhin gaben die Tunesier die Anweisung an die Crews der beiden Segelschiffe, die Menschen zu sich an Bord zu nehmen. Alle Überlebenden wurden auf die Astral gebracht, die dann in Richtung Lampedusa aufbrach, um einen sicheren Hafen für die Menschen zu finden. „Wir hatten in der Nacht große Sorgen, dass wir nicht alle Menschen rechtzeitig aus dem Wasser ziehen konnten und suchten bis zum Sonnenaufgang pausenlos nach Überlebenden in der unruhigen See. Erst als gegen Mittag bei der Übernahme der Menschen durch die Astral feststand, dass alle 110 Menschen an Bord des Holzbootes überlebt hatten, waren wir sehr erleichtert“, berichtet Carla Kneuper, Crew-Mitglied auf der Nadir. „Jetzt hoffen wir, dass die Überlebenden nach dieser schrecklichen Reise schnellstmöglich in einem sicheren Hafen an Land gehen dürfen.“

Die Nadir befindet sich seit einer Woche auf ihrer zweiten Beobachtungsmission in diesem Jahr. Erst am Sonntag hatte die Crew in Kooperation mit der Ocean Viking 75 Menschen auf der Flucht vor der illegalen Rückführung nach Libyen bewahrt. Auch die Astral hatte auf ihrer aktuellen Mission bereits mehreren Booten in Seenot beigestanden.

Über RESQSHIP:
Resqship e. V. fährt seit 2019 Beobachtungsmissionen im zentralen Mittelmeer, um auf die prekäre Situation von Menschen auf der Flucht aufmerksam zu machen und Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Im Ernstfall leisten die Crews unterstützende Maßnahmen zur Seenotrettung und kommen damit ihrer maritimen Pflicht zu helfen nach.

Weitere Informationen zu RESQSHIP: https://resqship.org/ 

Pressekontakt: Andrea Finkel, E-Mail: presse@resqship.org, Tel.: 0162-5954023