Blockade Bundestag, Kronprinzenbrücke / Rechte: XR Deutschland

Extinction Rebellion – Folge 3

XR-Bergedorf in Berlin, Bundesweite Aktionswoche, 04. – 09.10.2020, #StopptDieZerstörung

Auch in diesem Jahr hat die Aktionswelle („Wave“) von XR zentral in Berlin stattgefunden. Zunächst war sie für den Frühsommer geplant. Dann wurde sie wegen Corona verschoben. Lange haben wir diskutiert, ob wir uns in diesem Jahr nicht weiterhin auf dezentrale Aktionen beschränken sollen. Doch: Die Klimakatastrophe und das Artensterben machen auch keine Pause. So haben wir kurzfristig terminiert, vorbereitet und in Kauf genommen: Weniger Teilnehmer*innen (Urlaubsplanung, Quarantänebestimmungen nach Rückkehr aus Hochrisikogebiet etc.), kein zentrales Camp, sondern dezentrales Wohnen der Rebell*innen, Einhaltung der Corona-Regeln bei allen Aktionsformen. Motto: „Ein Planet. Eine Chance.“ Also hat sich auch die XR-Ortsgruppe Bergedorf erneut auf den Weg gemacht.

Mittwoch 07.10., Kronprinzenbrücke, an der Bannmeile zum Regierungsviertel, 18.00 Uhr

Blockade Bundestag, Kronprinzenbrücke
Blockade Bundestag, Kronprinzenbrücke
40 eher unauffällig gekleidete Passanten schlendern auf die Kreuzung zu, ziehen dann unvermittelt das Tempo an. Zwei Transporter bleiben plötzlich stehen. 3 Minuten später: die Kreuzung ist dicht, der Verkehr in alle vier Richtungen gesperrt. Banner mit Klimaforderungen sind entrollt, in der Mitte steht eine 4 Meter hohe Röhre, als Baum mit Krone und Wurzelwerk geschmückt, ein Rebell hat mit Hilfe einer Leiter seine Position im „Wipfel“ eingenommen, unten im „Wurzelwerk“ sind zwei Rebell*innen mit Fliegenpilzhut festgekettet, vier Rebell*innen sind unter einem PKW-Anhänger durch Metallröhren miteinander verbunden. Flyer werden verteilt, es wird gesungen, farblich gekennzeichnete Westen weisen auf Rollen hin: Polizeikontakt, Deeskalation, Legal Observer. Alle Rebell*innen tragen Alltagsmasken und halten die Abstandsregeln (weitgehend) ein. Erst als alles steht, erscheinen die ersten Einsatzkräfte der Polizei, deren Anzahl dann allerdings bald die Anzahl der Blockierer*innen um etwa das 3-4-Fache übersteigt.

Gleichzeitig besetzt XR vier weitere Kreuzungen, der Bundestag ist weitgehend und zumindest für kurze Zeit blockiert. Denn der Sitzungstag geht zu Ende und unsere Forderung an die Abgeordneten lautet: „Nachsitzen fürs Klima!“. Weitere Kernaussagen und Forderungen projiziert XR in Übergröße auf eine Wand des Bundestagsgebäudes.

Alle Fotos: XR Deutschland
Blockade Bundestag, Projektion
Blockade Bundestag, Projektion

Erst gegen 22.00 Uhr ist die Kreuzung durch ein Mega-Aufgebot der Polizei geräumt. Insbesondere die „Lock-ons“ und der Rebell auf dem „Baum“ haben die technische Abteilung stundenlang in Atem gehalten.

Die Bergedorfer XR-Gruppe in Berlin

Die Blockade der Kronprinzenbrücke haben wir Bergedorfer – 19 Rebell*innen einschließlich einiger Gäste anderer Ortsgruppen – gemeinsam mit anderen Bezugsgruppen des „Nordbündnisses“ organisiert – je nach persönlichen Vorlieben in ganz unterschiedlichen Rollen: Kontakt zu Passanten, „Lock-on“, persönliche Betreuung der „Lockies“, logistischer und technischer Support im Hintergrund, Musik und Singen, „Scouten“ der Umgebung im Vorfeld, Teilnahme am „Deli-Plenum“ (abgeschieden mit Wolkenbruch im Park) zwecks Koordination und Detailplanung, gewaltfreies Halten der Blockade einschließlich Räumung… Andere norddeutsche Rebell*innen haben zahlreiche andere Aufgaben übernommen: Deeskalation (u.a. mit ungeduldigen Autofahrer*innen), Durchwinken von Notfalleinsätzen, Polizeikontakt mit Einsatzleitung, Kontakt zu den anderen Blockadegruppen über Prepaid-Handys, Fotografieren, Filmen, Pressekontakte …
Im Rahmen der Aktionswoche waren wir Bergedorfer ständig über einen eigenen Signal-Channel in Kontakt. Einmal am Tag, meistens spät abends, haben wir uns alle persönlich getroffen, um unsere Erfahrungen auszutauschen, füreinander zu sorgen und Absprachen für den nächsten Tag zu treffen. Das hat uns Sicherheit und ein Gefühl großen Rückhalts gegeben. Lediglich unsere „Level-3“-Rebell*innen (sowie deren „Support“) waren nicht immer dabei, da sie mitunter erst nachts aus der „GSA“ (Gefangenensammelstelle) entlassen wurden.

„Zug der toten Bäume“
„Zug der toten Bäume“
„Zug der toten Bäume“
„Zug der toten Bäume“

Aktionen, an denen wir beteiligt waren

Sehr berührend und ästhetisch wunderschön: Der „Zug der toten Bäume“, ein als legale Demo angemeldeter Trauerzug durchs Regierungsviertel. Blockaden von und „Lock-ons“ an Eingängen des Verkehrs- und des Wirtschaftsministeriums. Besetzung und Blockade des „Hauses der Wirtschaft“ (Sitz der Kohle-Lobby) sowie Blockade der DEGES (bundeseigene Gesellschaft für Autobahn- und Bundesstraßenbau) – Motto: „Blockiert die Blockierer!“. Selbstkritische Reflektion der Aktionswoche und der internen Prozesse von XR im Stil einer Bürger*innenversammlung im Rahmen einer Blockade auf der Straße…

Blockade und Lock-on Verkehrsministerium
Blockade und Lock-on Verkehrsministerium

Räumung Blockade Wirtschaftsministerium
Räumung Blockade Wirtschaftsministerium

Unsere Einschätzung der Aktionswoche

Aufgrund der kürzeren Vorlaufzeit (Urlaubsplanung etc.) sowie der schwierigen Coronasituation waren deutlich weniger Rebell*innen beteiligt als 2019. Das war absehbar und unvermeidlich. Gleichzeitig haben wir beeindruckende Aktionsbilder kreiert, unsere Aktionen sehr zielgenau angelegt und miteinander viel Schönes erlebt. Das Echo in den Medien hätten wir uns stärker gewünscht. Offenbar wird das Thema „Klima“ zur Zeit und weiterhin von anderen Themen dominiert.

Wir machen weiter

In nächster Zeit werden wir Bergedorfer wieder lokal unterwegs sein: Aktionen und Talk in Reinbek, eine größere Kampagne am „Black Friday“ in Hamburg am 27.11. und die Wiederholung einer spektakulären Blockadeaktion. Denn unser Versprechen gilt: „Wir kommen wieder“.

Unsere Treffen – du bist herzlich willkommen!

Weiterhin jeden Dienstag von 19.00 – 21.00 Uhr im Cafe Chrysander – mit Maske, jeder 2. Stuhl bleibt frei, alle Türen und Fenster sind auf – bei zunehmendem Frieren wegen fallender Temperaturen. Deshalb suchen wir nach wie vor einen größeren Raum, am besten einen Saal. Viel Kommunikation läuft über Signal, Telegram oder in Untergruppen. Weil, wie es einer unserer Bergedorfer Rebellen im Gespräch mit einem SUV-Fahrer ausgedrückt hat:

„Uns brennt die Erde unter’m Arsch weg und wir fahren mit 180 gegen die Wand!“

Näheres über die verschiedenen Seiten von XR, über die „Wave“ u.a. auf XR Deutschland facebook

Kontakt zum Autor: Holger Neumann, hol.neu@t-online.de, mobil 0178 157 68 95

Siehe auch Folge 2 und Folge 1.