Wie Bergedorf mit einer seiner bedeutendsten Persönlichkeiten umgeht
„Die Zeit“ nannte ihn „Imperator der Kunst“ in einem Porträt zu seinem 100. Todestag 2014. Der Bergedorfer Alfred Lichtwark war der bedeutendste Kunstvermittler, Museumsvisionär und Bildungsreformer des Kaiserreichs. Fast drei Jahrzehnte prägte Lichtwark das kulturelle Leben Hamburgs und darüber hinaus. Als Leiter der Kunsthalle gelang es ihm, den Geist der Avantgarde in die Stadt zu holen und ganz Deutschland Impulse zu geben. Seine Idee der aktiven Kunstförderung war seinerzeit revolutionär. Doch schon in den 1920er Jahren fanden seine Vorstellungen der Reformpädagogik Niederschlag im Aufbau der Hamburger Lichtwarkschulen.
Alfred Lichtwark wurde 1852 als Kind des Müllers der Reitbrooker Mühle in Bergedorf-Reitbrook geboren. Er absolvierte eine Ausbildung zum Volksschullehrer und ging dann nach Leipzig, wo er Buchwissenschaft studierte und promovierte. Über eine Anstellung im Kunstgewerbemuseum Berlin wurde er 1886 zum ersten Direktor der Hamburger Kunsthalle berufen. Mit nur 61 Jahren verstarb Lichtwark im Januar 1914.
In Hamburg galt Lichtwarks Wort zu seinen Lebzeiten wenig. Zu oft hat er sich mit der Hamburger Obrigkeit gegen das kulturlose Desinteresse des Bürgertums angelegt. „Der kostspieligste Luxus, den sich eine Stadt leisten kann, ist Beschränktheit und Unwissenheit.“ Seine auch noch heute oft zitierte Aussage über die „Freie und Abrissstadt Hamburg“ machte ihm keine Freunde unter Hamburgs Politikern. Vor allem sein Kampf um die moderne Kunst ließ ihn für viele zum Provokateur werden. Verbittert klagte er über die stumpfe Selbstzufriedenheit, die jedem kulturellen Fortschritt Schranken entgegenzustellen sucht: „Alle sehen nur das rote Tuch des Modernismus, das mir aus der Tasche hängt.“
In Bergedorf soll Alfred Lichtwark ganz in der Tradition des kulturlosen Desinteresses aus dem Stadtbild verschwinden. 1961 setzten Bergedorfs Politiker dem großen Sohn des Bezirks mit dem Bau Bergedorfs erstem kulturellen Zentrum ein Denkmal. Über 50 Jahre würdigten die Bergedorfer so Lichtwarks innovatives Wirken. Jetzt soll er dem Industriellen Körber weichen, dessen Persönlichkeit historisch umstritten ist. Für Lichtwark ist kein Platz mehr in Bergedorfs Kulturleben – außer als Saalname und im dahinsiechenden Lichtwarkausschuss. Angesichts seines Lebenswerks für Hamburg gibt es gute Gründe, das neue Haus am Schleusengraben Lichtwark-Haus zu nennen.
Komitee für künstlerische Vielfalt in Bergedorf