Die Vorgeschichte.
Schon die APO Bergedorf kritisierte Kurt A. Körber, nachzulesen unter sds-apo68hh.de/apo-bergedorf. Erneut zu Auseinandersetzungen kam es 1998 bei der Umbenennung der Kampchaussee in Kurt-A.-Körber-Chaussee. Die Linke beantragte in der Bezirksversammlung, dass alle NS-belasteten Straßennahmen in Bergedorf umbenannt werden sollten. Eingesetzt wurde daraufhin eine Historikerkommission, die zu dem Ergebnis kam: „Eine Umbenennung der Kurt-A.-Körber-Chaussee ist angeraten.“ Doch darüber setzte sich die Bezirksversammlung hinweg. Der Antrag der Fraktion Die Linke, die Kurt-A.-Körber-Chaussee umzubenennen, wurde abgelehnt. Die Bergedorfer Zeitung schrieb am 21.07.2017: „Das Bezirksparlament zog dieses Mal einen Schlussstrich zur Frage, ob Bergedorf den Namen der 1998 in Kurt-A.-Körber-Chaussee umgewidmeten Kampchaussee aus dem Stadtbild entfernen sollte. Mit 38:5 Stimmen votierte sie für das Festhalten an Körber als Namensgeber für die Straße vor den Toren der Hauni. Angenommen wurde ein entsprechender Antrag der SPD.“
Werner Omniczynski, Präsident der Bezirksversammlung, erklärte: „Die von uns vor einem Jahr eingesetzte Bergedorfer Historiker-Kommission hat zwar keine neuen Belege dazu ans Tageslicht gefördert, dass Körber persönlich bei der Unterbringung und dem Einsatz der KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter mitgewirkt hat. Auch gibt es keine neuen Bewertungsmaßstäbe für die moralische Verantwortung von Wirtschaftsführern für ihr Verhalten in der NS-Zeit.“ Auch wenn der Straßenname bleibe, gebe es „Diskussionsbedarf zur Aufhellung dunkler Flecken in der Biografie dieses Hamburger Ehrenbürgers“. Es entstand die Idee, Zusatzschilder unter dem Straßennamen anzubringen mit erweiterten Informationen zur Biografie von Kurt A. Körber und einem QR-Code mit Link zu ausführlichen Informationen. Dies lehnte der Senat jedoch ab. Bis heute gibt es keine Hinweise auf die braune Vergangenheit von Kurt Adolf Körber. Es gab und gibt also schon seit Jahrzehnten Diskussionen um die Biografie von Kurt A. Körber.
Am 31. März 2016 stellten im nichtöffentlichen Teil der Bezirksversammlung Frau Paehlke (Körberstiftung) und Herrn Dornquast (Bezirksamtsleiter) das Projekt KörberHaus vor. Die Idee sei Ende 2015 entstanden. Das Lichtwarkhaus solle abgerissen und an gleicher Stelle ein neues Haus errichtet werden. Der Name stehe fest. Die Körberstiftung werde einen Baukostenzuschuss leisten. Schon an diesem Abend äußerten einzelne Abgeordneten ihre Bedenken zur Namensgebung des Hauses nach einem Mitglied der NSDAP.
Erinnern wir uns: In den Vierlanden wurde eine Straße nach Irmgard Pietsch benannt. Dies musste nach wenigen Monaten im November 2016 geändert werden, weil sie Mitglied in der NSDAP gewesen war. Die Straße heißt nun Fritz-Bringmann-Ring (Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, seit 1970 Generalsekretär, dann Ehrenpräsident der Amicale Internationale Neuengamme). In Hamburg darf keine neue Straße nach einem Mitglied der NSDAP benannt werden. Muss dies nicht auch analog für öffentliche Gebäude gelten? Kurt A. Körber war Mitglied der NSDAP, nachzulesen auf der Homepage der Körberstiftung! Warum bleibt die Hansestadt Hamburg beim Namen Körberhaus?
“Neues Lichtwarkhaus” wäre ein guter Name, um den in Reitbrook geborenen und für Hamburg so wichtigen Alfred Lichtwark, erster Direktor der Hamburger Kunsthalle, zu ehren. Es bleibt zu hoffen, dass sich viele Bergedorfer:innen laut und deutlich gegen den Namen Körberhaus aussprechen werden.
Die Person Kurt A. Körber
Kurt Adolf Körber (1909 – 1992) blieb bis zu seinem Lebensende bei der Version, er habe nur eine Anwartschaft auf die Mitgliedschaft in der NSDAP gehabt. Doch es ist belegt, dass er am 1. Juli 1940 in die NSDAP eingetreten ist. Nach dem Krieg behauptete er zuerst, er sei nur ein Jahr lang Mitglied gewesen und wenig später kam dann von ihm die Geschichte mit der angeblichen Anwartschaft.
Kurt A. Körber kam 1935 zur Universelle nach Dresden und stieg dort bis zum Technischen Direktor auf. Der Betrieb wandelte sich im Zweiten Weltkrieg von der Zigarettenmaschinenfabrik zu einem Rüstungsbetrieb und setzte zunehmend Fremd- und Zwangsarbeiter ein. Z.B. belegt Heinz Schulz in seiner Publikation von 2005 “Rüstungsproduktion im Raum Dresden 1933 – 1945”, dass die “Universelle” zu den wichtigsten Dresdner Rüstungsbetrieben gehörte.
Kurt A. Körbers Mutter und sein Bruder Erich halfen einer jüdischen Familie. Ein Kollege von Erich denunzierte ihn, was ihm eine Haftstrafe im KZ Sachsenhausen einbrachte. Die Historiker Josef Schmid und Frank Bajohr berichten in ihrem Aufsatz von 2011 „Gewöhnlicher unternehmerischer Opportunismus?“ (1), aus dem viele Fakten dieses Beitrags stammen, Kurt A. Körber habe seinen Bruder im KZ besucht und sei noch 1989 „tief beeindruckt“ gewesen von den „bösen Folgen“, welche seine Mutter durch ihr Handeln verursacht habe, als sie die Hilfe für die jüdische Familie organisierte. Weiter zitieren Schmid/Bajohr Kurt A. Körber, der anlässlich seines 80. Geburtstages sagte: „Ich wollte den Krieg gewinnen; dafür habe ich gearbeitet, Tag und Nacht.“
Gearbeitet haben in den verschiedenen Werken der Universelle schon seit Ende 1941 „Fremdarbeiter“ aus Spanien, bald auch aus vielen anderen Ländern. Dabei sei nach Schmid/Bajohr der zunehmende Zwangscharakter der Beschäftigung unübersehbar gewesen. „Die Personalabteilung des Unternehmens meldete ab Sommer 1942 wiederholt Arbeiter als ‚flüchtig‘. Insgesamt war die Fluktuation hoch, da viele der zum Teil bereits geschwächt eingetroffenen Zwangsarbeiter krankheitsbedingt als nicht arbeitsfähig eingestuft wurden und nicht oder nur kurzzeitig in den Produktionsstätten zum Einsatz kamen.” (Seite 96)
Ein besonderes Kapitel sind die seit September 1944 in der Produktion eingesetzten Frauen aus dem KZ Ravensbrück. Es lässt sich noch nicht belegen, ob diese von der Universelle angefordert oder ihnen „zugeteilt wurden“, wie Schmid/Bajohr es schreiben. Etwa 800 Frauen mussten im Werk III der Universelle in der Florastraße arbeiten und wurden in den Stockwerken über der Produktionsstätte untergebracht. Sie litten zusätzlich unter der Brutalität der SS-Aufseherinnen, von denen zwei nach 1945 zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. „Kurt A. Körber war am Aufbau des Werkes in der Florastraße beteiligt“, schreiben Schmid/Bajohr auf der Seite 96. Und weiter Seite 97: „Beim Luftangriff am 13. Februar 1945 wurde das Werk III weitgehend zerstört, die meisten Häftlinge kamen ums Leben.“ Die Frauen mussten im Werk bleiben, durften keinen Schutzraum aufsuchen.
Dass es möglich war, sich gegen die Behandlung der KZ-Häftlinge zu beschweren, zeigte der spätere Herausgeber der „Zeit“, Gerd Bucerius. Er war bis 1945 stellvertretender Betriebsleiter der Diago-Werke. In einem Brief an den Kommandanten des KZ Neuengamme, Max Pauly, beschwert er sich im März 1945 über den Lagerleiter Wilhelm Kliem: „Es erscheint uns auch nicht unbedenklich, dass HSchF (Hauptscharführer) Kliem die seinem Lager angehörigen Frauen derart schlägt, dass das Geschrei dieser Frauen von den ebenfalls in unserem Werk beschäftigten Italienern und von anderen Gefolg-schaftsmitgliedern angehört werden kann […]“ (2). Von Kurt A. Körber ist ähnliches nicht überliefert.
Es gab sogar Versuche, den Einsatz von KZ-Häftlingen zu verweigern. Marc Buggeln berichtet in seinem Buch „Arbeit & Gewalt – Das Außenlagersystem des KZ Neuengamme“ auf den Seiten 79ff über Heinrich Dräger, der es zuerst abgelehnt habe, KZ-Häftlinge zu beschäftigen, dann jedoch einlenken musste. Doch er besorgte zusätzliches Essen für die Häftlinge, die in seinem Werk Gasmasken herstellen mussten. „Die Bilanz vom Verhalten Drägers und der Drägerwerke bleibt zwiespältig. Trotzdem heben sich die Firmeneigner und die Firma damit deutlich vom Großteil des Verhaltens der Spitzen der deutschen Wirtschaft ab, deren Verhalten nicht als zwiespältig zu beschreiben ist, sondern von gleichgültig bis feindlich reichte. Dräger leistete zwar keinen Widerstand, aber er wollte den Einsatz von KZ-Häftlingen in seinen Werken zunächst verhindern. Und als er dies nicht verhindern konnte, sprach er in einem Brief von der ‚Rücksicht‘, welche die Firma auf die Häftlinge zu nehmen habe, ein Wort, das dem Großteil der deutschen Wirtschaftsvertreter im Hinblick auf die KZ-Häftlinge nicht über die Lippen kam.“
Eine weitere bewiesene Lüge von Kurt A. Körber ist seine 1990 geäußerte Behauptung, er sei als einziger aus der Führungsriege der Universelle nach der Entnazifizierung durch die sowjetische Besatzungsmacht wieder in seine Funktion eingesetzt worden. Alle seine Kollegen, bis auf den Betriebsführer Hans Schwerin, wurden weiter beschäftigt. (s. S. 100 Schmid/Bajohr)
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Kurt A. Körber tief in die NS-Verbrechen verstrickt war. Er gehörte zu denen, die profitiert sowie unkritisch funktioniert haben und somit mitverantwortlich waren für unendliches Leid. Als Technischer Direktor und zuständig für den Aufbau des neuen Werks III war er sicherlich auch verantwortlich für den Personaleinsatz. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP hat er geleugnet. Er hat nach unserem Kenntnisstand nie Bedauern über den Einsatz der Zwangsarbeiter:innen und der Frauen aus dem KZ bei der Universelle geäußert. Stattdessen versuchte er sich in ein besseres Licht zu stellen durch falsche Behauptungen. Bei der Würdigung der Gesamtpersönlichkeit erscheint dieser Teil seines Lebens bis 1945, unabhängig davon, was er danach getan hat, so gewichtig, dass kein öffentliches Gebäude nach ihm benannt werden darf.
Quellen
(1) https://www.koerber-stiftung.de/fileadmin/user_upload/koerber˗stiftung/FZH_Schmid_Bajohr_Gewoehnlicher-unternehmerischer-Opportunismus.pdf
(2) http://media.offenes-archiv.de/poppenbuettel_tiefstack.pdf