Unrechtmäßige Festsetzung: Nach Rettung von 112 Menschen – NADIR sieht sich haltlosen Anschuldigungen in Italien ausgesetzt.

Das zivile Segelschiff NADIR der deutschen NGO Resqship wurde am Sonntag, dem 8. Juni, von italienischen Behörden festgesetzt. Die Crew hatte zuvor 112 Menschen in einem seeuntüchtigen Holzboot Hilfe geleistet. Die Rettung fand in der Nacht von Donnerstag, den 5. Juni, auf Freitag, den 6. Juni in internationalen Gewässern statt.

Am Abend des 5. Juni sichtete die Crew der NADIR 112 Menschen an Bord eines überfüllten Holzbootes im Mittelmeer. 30 Menschen befanden sich unter Deck. Aufgrund ihres unklaren gesundheitlichen Zustandes evakuierte die Crew das Boot. Nach der erfolgreichen Evakuierung auf die NADIR um 3 Uhr nachts bei bis zu einem Meter hohen Wellen wiesen die italienischen Behörden dem Schiff Lampedusa als sicheren Hafen zu. Bei der Ankunft zwölf Stunden später wurde das Schiff jedoch festgesetzt. Damit wird die NADIR erstmals kriminalisiert und an ihrer humanitären Arbeit gehindert, seit sie im Jahr 2021 ihre Einsätze begann. In dieser Zeit unterstützte sie bereits über 12.000 Menschen in Seenot. 

RESQSHIP wird in zwei Punkten beschuldigt: Zum einen soll versäumt worden sein, die zuständigen Behörden unverzüglich zu informieren; zum anderen sollen Anweisungen zum zugewiesenen sicheren Hafen nicht befolgt worden sein. Tatsächlich handelte die Besatzung der NADIR jedoch im Einklang mit geltendem internationalem Recht, als sie am vergangenen Donnerstag 112 Menschen in Seenot Hilfe leistete. 

Die Anschuldigungen stützen sich auf nationales italienisches Recht, insbesondere auf das Piantedosi-Dekret von 2024. Sie behaupten, die NADIR habe es versäumt, die libyschen und tunesischen Behörden zu benachrichtigen. Tatsächlich befolgte die NADIR die Anweisungen der italienischen Behörden und kontaktierte wiederholt die Seenotrettungsleitstellen in Tunesien und Libyen – ohne eine Antwort zu erhalten. Die Unerreichbarkeit beziehungsweise Unzuverlässigkeit dieser sogenannten ›Autoritäten‹ unterstreicht ihre Unfähigkeit als kooperationsfähige Akteure in der Seenotrettung. Die Anschuldigungen ignorieren außerdem die Tatsache, dass weder Libyen noch Tunesien aufgrund schwerwiegender und gut dokumentierter Menschenrechtsverletzungen als sicherer Hafen für Menschen auf der Flucht gelten können. 

Die NADIR war unterwegs zu ihrem zugewiesenen sicheren Hafen, als sie bei Erreichen der italienischen Hoheitsgewässer telefonisch aufgefordert wurde, schutzbedürftige Personen, insbesondere Frauen und Kinder, auf ein italienisches Patrouillenschiff zu übergeben. Anschließend sollte sie mit den übrigen Überlebenden nach Porto Empedocle weiterfahren. Eine schriftliche Bestätigung dieser Anweisung wurde jedoch nie übermittelt, nachdem die NADIR-Besatzung ernsthafte Sicherheitsbedenken gegen einen Transfer einiger weniger und die Trennung von Familien geäußert hatte. Die Auswahl einzelner Personen auf dem vollen Deck hätte Chaos auslösen, Menschen in Gefahr bringen und Panik verursachen können. Die Trennung von Familien hätte zudem zu einer erneuten Traumatisierung der Überlebenden führen können. Darüber hinaus würde die 120 Seemeilen lange Weiterfahrt für die verbleibenden Passagiere der Logik eines Landgangs im nächstgelegenen sicheren Hafen widersprechen und sie würden zusätzlichem körperlichen und psychischen Stress ausgesetzt. 

Die NADIR wartete vor Lampedusa, bis die Hafenbehörde dem Schiff die Einfahrt gewährte. Begleitet von mehreren Schiffen der italienischen Küstenwache, der Guardia di Finanza und von Frontex und mit ausdrücklicher Genehmigung der Küstenwache lief die NADIR in den Hafen von Lampedusa ein und brachte alle 112 aus Seenot geretteten Personen sicher an Land. Im Anschluss leitete die Küstenwache eine Untersuchung gegen die NADIR ein und sprach am Sonntag eine Festsetzung aus. 

„Bei dieser Festsetzung geht es nicht um Recht oder Unrecht, sondern um Politik. Die Vorwürfe entbehren jeder Grundlage, und die Entscheidung, die NADIR festzuhalten, ist willkürlich. Die zivile Seenotrettung wird gezielt behindert, um eine politische Agenda durchzusetzen“, erklärt Amelie Walther, Sprecherin von RESQSHIP. 

RESQSHIP verurteilt die willkürliche Festsetzung des Segelschiffs NADIR scharf. Wir fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung des Schiffes.