Der Kaiser-Wilhelm Platz im Zentrum Bergedorfs – kritisch hinterfragt

Am 8. Mai 1985 wurde der Kaiser-Wilhelm-Platz symbolisch in Jean-Dolidier-Platz umbenannt. 60 Menschen wollten mit dieser Aktion die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit provozieren. Das Ergebnis: Es gab eine Anzeige durch die anwesende Polizei. In der Bergedorfer Bezirksversammlung war die Haltung zur Umbenennung eindeutig. Werner Omniczynski von der SPD machte seine Ablehnung zum Antrag der GAL auf Umbenennung des Kaiser Wilhelm-Platzes so deutlich: „So sinnvoll der Antrag ist und so sehr ich persönliche Antipathie gegen Kaiser Wilhelm haben mag, diese Art des Umgangs mit der deutschen Geschichte machen wir nicht mit.“

Jetzt 2020, also 35 Jahre später, stellt sich die Frage nach einer Umbennung des Kaiser-Wilhelm-Platzes noch immer. Sowohl das Bismarck-Denkmal im Schlosspark als auch das Kriegerdenkmal 1870/71 im Bereich Reinbeker Weg/Chrysanderstraße stehen unkommentiert in Bergedorfs Zentrum.

Es ist doch bezeichnend, dass diese drei Denkmäler die Bergedorfer Mitte prägen.

 

Wilhelm I, auch „Kartätschenprinz“ genannt, gehörte zu den schärfsten Befürwortern militärischer Angriffsmaßnahmen gegen die Revolutionäre von 1848, die eine demokratisch-zivile Gesellschaft forderten. Die Niederschlagung der Volksbewegung 1848/49 war die Voraussetzung für die Bismarcksche Reichsgründung „von oben“ durch militärische Macht. Der Autoritätsstaat hatte gesiegt. Die Liste der vorherigen militaristischen Maßnahmen Kaiser Wilhelms und seines Reichskanzlers Bismarck ist lang: Durchsetzung der Heeresreform gegen das Parlament, Regieren ohne Etat, Verletzung der Verfassung. Es galt die Maxime: „Die deutsche Frage muss nicht durch Reden und Mehrheitsbeschlüsse, sondern durch Blut und Eisen gelöst werden.“

Wilhelm I akzeptierte, dass Bismarck die Politik im Land bestimmte.

1870, mit der Emscher Depesche, provozierte Bismarck Frankreich. Es kam zum Deutsch- Französischen Krieg, der die Feindschaft beider Länder über Jahrzehnte besiegelte. Nach der Niederlage Frankreichs war der Weg frei für die Gründung des Deutschen Reichs.

Wilhelm I wurde auf französischem Boden in Versailles zum deutschen Kaiser gekrönt. Damit waren die Grundlagen für eine militaristische und nationalistische Gesellschaft gelegt, die bis 1945 Deutschland prägt.

1878 nutzte Bismarck die Attentate auf Wilhelm I, um das Sozialistengesetz durchzubringen, das bis 1890 jegliche sozialistische und kommunistische Parteien verbot. Eine böse Zeit der Verfolgung begann.

1882 gründete sich der Deutsche Kolonialverein, der auch Bismarcks distanzierte Haltung zu deutschen Kolonien veränderte. Mit der Berliner Konferenz am 15. November 1884 trieb er die Aufteilung Afrikas in Kolonien voran. In den Folgejahren setzten die Kolonialmächte, also auch das Deutsche Reich ihre Machtansprüche mit unmenschlicher Grausamkeit durch. Nach dem Ersten Weltkrieg, Deutschlands „Griff nach der Weltmacht“, musste das Deutsche Reich seine Kolonien abgeben.

Diese Denkmäler aus der Kaiserzeit stehen also für Verklärung und Schuld. Es gibt genügend Gründe, um über eine Umbenennung des Kaiser-Wilhelm Platzes, kritische Erklärung oder Kommentierung bis hin zur Umgestaltung als Anti-Denkmäler zu sprechen, stehen sie doch sinnbildlich für die deutschen Verbrechen des letzten Jahrhunderts!

Am Sachsentor

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