Was hat die Flutkatastrophe 1962 in Hamburg vor 60 Jahren mit Oberbillwerder zu tun?

Ich war noch ein Kind damals, als im Februar 1962 nach der Sturmflut in Bergedorf für längere Zeit der Strom ausfiel und es eine Zeit lang auch kein Wasser gab. Wir wohnten damals in einer Wohnung mit einem alten Herd, der bisher nicht genutzt worden war, denn meine Mutter kochte elektrisch. Nun tat der Herd gute Dienste, weil er mit Holz beheizt werden und so eine warme Mahlzeit zubereitet werden konnte. Es kamen Verwandte zu uns, um bei uns zu kochen und endlich wieder etwas Warmes essen zu können. Richtig begriffen habe ich als Siebenjähriger nicht, dass 315 Menschen in den Fluten gestorben waren. Ein paar Woche später erhielten wir in der Grundschule Am Brink eine Tüte mit Korinthen. Die Griechen hatten einen Dampfer mit diesen schwarzen kleinen Rosinen als Fluthilfe nach Hamburg geschickt.

Heute sehe ich die Sturmflut von 1962 als ein frühes Zeichen für den Klimawandel. Werden wir die Deiche in Norddeutschland immer weiter erhöhen können, trotz immer weiter steigendem Meeresspiegel? Werden die Pumpwerke in den Vier- und Marschlanden bei Starkregen und gleichzeitigen Sturmfluten das Wasser aus den niedrig gelegenen Gebieten wie z.B. Nettelnburg, Bergedorf-West, Neuallermöhe und zukünftig auch Oberbillwerder überhaupt abpumpen können?

Anfang des Jahres Stand in der Bergedorfer Zeitung ein längerer Artikel zur Verabschiedung von Uwe Wehling, dem Chef der Wasserwirtschaft in Bergedorf. Dort konnte man bemerkenswerte Aussagen lesen. Man müsse viel mehr Pumpwerke bauen, meint Uwe Wehling, um bei Starkregen und Sturmfluten eine ausreichende Entwässerung zu haben. Sonst steige der Schleusengraben und die Obere Bille. Dann könnte das Wasser über den Schlossteich auch die Bergedorfer Innenstadt überfluten. Das wäre der Super-GAU und eigentlich hätten wir bislang einfach nur Glück gehabt. Mit dem Bau des neuen Stadtteils Oberbillwerder könnte alles noch schlimmer kommen, meint der Fachmann.

Interessante Worte. Denn bei vielen Nachfragen in der Bezirksversammlung und dem Stadtentwicklungsausschuss zu diesem Thema wurde immer auf Berechnungen verwiesen, dass die geplante Entwässerung für Oberbillwerder völlig ausreichend sei, auch bei sogenannten Jahrhundertereignissen mit Starkregen und selbst bei gleichzeitigen Sturmfluten. Wenn alles nicht mehr hilft, seien dort ja auch Retentionsflächen vorgesehen, die das Wasser dann aufnehmen könnten. Retentionsflächen sind tiefer gelegene Flächen, auf denen z.B. in Oberbillwerder dann Sport- und Spielplätze etc. erstellt werden. Dass diese Flächen nach dem Volllaufen bei einem Starkregen weitestgehend zerstört seien und neu errichtet werden müssten, wird in Kauf genommen. Ob dies aber überhaupt ausreichend sei, wird von Uwe Wehling angezweifelt.

Sicherlich würden bei zukünftigen Überflutungen nicht wieder 315 Menschen sterben müssen. Dennoch sollte hinterfragt werden, ob ein Neubaugebiet wie Oberbillwerder in einem so tief gelegenen Marschgebiet überhaupt gebaut werden sollte, ganz abgesehen von der großflächigen Versiegelung von naturnahen Flächen. Der Klimawandel ist da und es ist nicht die Frage, ob, sondern wie hoch der Meeresspiegel noch steigen wird. Stürme und damit die Anzahl der Sturmfluten nehmen zu. Es mangele am Binnenhochwasserschutz, meint Uwe Wehling. Wenn dieser für die Bestandssiedlungen in Bergedorf verbessert würde, könnte ich dies verstehen und mittragen. Doch für Oberbillwerder sollte ein Umdenken stattfinden, und zwar bald, bevor die unsäglichen Straßenanbindungen z.B. vom Ladenbeker Furtweg an die B5 gebaut werden und bevor Unmengen an Sand angefahren wird, um die Marsch wenigstens ein wenig aufzuschütten. Auf diese neue Großsiedlung muss verzichtet werden!

Helmuth